Wahlkreis: München-Ost

SPD

Claudia Tausend, MdB

1. Europapolitische Schwerpunkte

Welche europapolitischen Schwerpunkte wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages setzen und warum?
"In einem von globalem Wettbewerb geprägten Umfeld können wir unsere europäischen Werte und Interessen nur behaupten, wenn Europa nach innen geeint und nach außen handlungsfähig ist. Wir wollen die Freiheit und Rechtstaatlichkeit in Europa schützen und die EU zur modernsten Demokratie der Welt machen. Mit Investitionen in unsere gemeinsame Wirtschafts- und Innovationskraft stärken wir Europa als den modernsten, sozialsten, nachhaltigsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt und sichern so die Grundlagen unseres Wohlstands. Wir wollen, dass Europa auch beim Klimaschutz Vorreiter wird und wollen ein digital souveränes Europa auf der Basis einer wertebasierten digitalen Wirtschaft. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für ein souveränes Europa, das für soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und Menschenrechte steht und sich geschlossen für eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Welt einsetzt. Nur miteinander werden wir eine humanitäre und solidarische Flüchtlingspolitik gewährleisten. Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind das Fundament unserer Gemeinschaft. Wir werden es nicht zulassen, dass nationalistischer Hass und populistische Hetze Europa spalten. Wir meinen es ernst mit der europäischen Solidarität. Wir haben zu Beginn der Pandemie schnell und kraftvoll gehandelt und den größten Wiederaufbaufonds der Geschichte der Europäischen Union auf den Weg gebracht – eine Solidarleistung, die die sozialen Folgen der Corona-Krise abmildert und die gleichzeitig den sozial-ökologischen Wandel vorantreibt und Innovationen fördert."

2. Beteiligung des Bundestages an der europäischen Gesetzgebung

Einzelpositionen:
Gemäß Art. 23 Abs. 3 GG muss die Bundesregierung den Bundestag in den europäischen Gesetzgebungsprozess einbinden. Wollen Sie als Bundestagsabgeordnete/r von der Bundesregierung einfordern, dass die Fachausschüsse künftig vor und nach Ratssitzungen auf europäischer Ebene beteiligt werden? JA
Soll der Bundestag seine Mitwirkung im europäischen Rechtssetzungsprozess transparenter und öffentlicher kommunizieren? JA
Vor und nach der EU-Ratssitzung sollen öffentliche Debatten im Bundestag zu den gefassten Beschlüssen stattfinden, weil sie Transparenz der Politik der Bundesrepublik auf europäischer Ebene schaffen würden und mediale Präsenz in Gang setzen. Stimmen Sie dem zu? JA
Wenn Sie Ihre Antworten näher erläutern oder weitere Punkte hinzufügen möchten, können Sie dies hier tun (optional):
"Durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) wirkt der Bundestag an der Meinungsbildung des Bundes zu EU-Angelegenheiten mit. Schon frühzeitig werden Entwürfe, Verhandlungsmandate, Drahtberichte und Weisungen von der Bundesregierung an den Bundestag übersandt, wo sie zusammen mit Dokumenten der europäischen Institutionen in einem modernen Informationssystem namens EUDoX für die Bundestagsabgeordneten zugänglich gemacht werden. Mehrere Europa-Referate der Bundestagsverwaltung bündeln die Informationen und bereiten sie auf - deutsche Bundestagsabgeordnete haben durch dieses System bereits frühzeitig einen schnelleren und besseren Überblick als die meisten Abgeordneten anderer EU-Mitgliedstaaten, wie diese bei Besuchen im Bundestag oft staunend bezeugen. Die Beteiligung findet in den Fachausschüssen und insbesondere im EU-Ausschuss statt, wo die Bundesregierung über ihre Positionen in Ratssitzungen unterrichtet. Transparenz ist uns hier wichtig: Die SPD-Fraktion fordert seit langem, größere Teile der Ausschusssitzungen öffentlich zu machen. Durchsetzen konnten wir uns bereits bei unserer Forderung, Verhandlungsmandate und -dokumente der EU öffentlich zu machen, die zuvor - etwa bei Verhandlungen zu Handels- und Investitionsabkommen - zwar frühzeitig den Bundestagsabgeordneten zugänglich gemacht wurden, für die breite Öffentlichkeit aber nicht einsehbar waren. Auf Druck der Sozialdemokraten sind nun viele dieser Dokumente auch frei verfügbar, so dass eine breite Diskussion stattfinden kann. Die parlamentarische Beteiligung an der Meinungsbildung des Bundes zu EU-Angelegenheiten ist sehr wichtig - noch wichtiger aber ist uns eine echte Stärkung des Europäischen Parlaments. Das EP muss auf gleicher Höhe mit dem Rat stehen und ein eigenes Gesetzesinitiativrecht erhalten."

3. Europäische Gesundheitsunion

Welche Kompetenzen sollen die Mitgliedstaaten in der Gesundheitspolitik an die EU übertragen?
"Die Pandemie hat die Verwundbarkeit unseres Gesundheitssystems offengelegt. Wir werden eine souveräne Europäische Gesundheitsunion mit einer starken und widerstandsfähigen Gesundheitswirtschaft in Europa schaffen, indem wir Mindeststandards in der Gesundheitsversorgung garantieren, einen starken Katastrophenschutzmechanismus etablieren und die gemeinsame Forschung und Beschaffung wichtiger medizinischer Güter fördern. Um auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren in Zukunft besser reagieren zu können, brauchen wir krisenfeste europäische Gesundheitsbehörden, die mit weitreichenden Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden."
Einzelpositionen:
Soll zukünftig eine zentrale Beschaffung und Lagerhaltung von Vakzinen, medizinischen Materialien und Geräten durch die EU erfolgen? JA
Die Bundesrepublik Deutschland sollte Infektionsschutzmaßnahmen und insbesondere Grenzschließungen nur noch in Abstimmung mit und Zustimmung der Nachbarstaaten vornehmen. JA
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) sowie die neue Agentur für biomedizinische Forschung und Entwicklung sollten gestärkt und ausgebaut werden. JA
Wenn Sie Ihre Antworten näher erläutern oder weitere Punkte hinzufügen möchten, können Sie dies hier tun (optional):
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4. Solidarität in Europa

Einzelpositionen:
Die EU soll sich langfristig auch auf eine soziale Säule stützen. Diese soll gemeinsame, europaweite Sozialstandards, miteinander abgestimmte Renten- und Sozialversicherungssysteme und eine länderübergreifende, europäische Arbeitslosenrückversicherung umfassen. JA
Zur europäischen Solidarität gehört auch die nationale Einhaltung rechtsstaatlicher Standards und von gemeinsamen Regeln. Mitgliedsstaaten, die sich einer europäischen Solidarität verweigern, sollen entweder durch qualifizierte Mehrheit im Rat oder von der Kommission mit Sanktionsmechanismen, insb. Kürzung finanzieller Mittel, belegt werden können. JA
Asylverfahren und -unterbringung in den Mittelmeeranrainerstaaten sollten zukünftig nicht mehr nationale, sondern europäische Aufgaben sein. JA
Frontex sollte zu einer EU-Agentur mit echten eigenen Kompetenzen ausgebaut werden? NEIN
Die Bundesregierung soll sich für eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die EU einsetzen, um eine günstige Finanzierung aller Mitgliedstaaten zu erreichen. -
Die Bundesregierung soll sich für eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die EU einsetzen, um den Euro als internationale Leitwährung zu stärken und Spekulationen gegen einzelne Mitgliedstaaten zu verhindern. -
Die Bundesregierung soll sich für eine gemeinsame Schuldenaufnahme durch die EU einsetzen, um direkt zum Finanzrahmen der EU beizutragen. -
Bitte erläutern Sie Ihre Haltung zur gemeinsamen Schuldenaufnahme durch die EU:
"Weil zu gemeinsamen Ausgaben auch gemeinsame Einnahmen gehören, haben wir die Grundlage für neue europäische Eigenmittel geschaffen. Wir setzen uns dafür ein, dass aus dem Wiederaufbaufonds und der in der Krise gestärkten europäischen Solidarität ein dauerhafter Integrationsfortschritt wird. Wir setzen uns dafür ein, die Finanzierung der EU dauerhaft gerechter und eigenständiger zu gestalten. Wir werden für diesen bedeutenden Integrationsschritt die Besteuerung digitaler Großkonzerne, eine CO2-Grenzabgabe sowie neue Einnahmen aus dem Emissionshandel heranziehen."
Wenn Sie Ihre Antworten näher erläutern oder weitere Punkte hinzufügen möchten, können Sie dies hier tun (optional):
"Eine krisenfeste EU muss fiskalpolitisch handlungsfähig sein. Deshalb treten wir ein für die Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips in Steuerfragen und die Beendigung des Steuerdumpings zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Wir werden ein funktionsfähiges Europäisches Asylsystem mit dem notwendigen Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität voranbringen. Das Asylsystem soll weiter europäisiert und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen zu einer vollwertigen europäischen Asylagentur ausgebaut werden."

5. Europäische Demokratie und Handlungsfähigkeit / Reform der europäischen Institutionen

Einzelpositionen:
Das Europäische Parlament soll nach einem einheitlichen, europäischen Wahlrecht gewählt werden. JA
Sollen hier auch transnationale Listen zulässig sein? JA
Sollen sich die Bundestagsabgeordneten in ihren Parteien dafür einsetzen, dass für die Europa-Wahlen echte europäische Parteien gebildet werden statt Zusammenschlüsse nationaler Parteien? -
Das Einstimmigkeitsprinzip soll auf europäischer Ebene zugunsten einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung weitgehend abgeschafft werden. Dies würde die EU deutlich handlungsfähiger machen. JA
Solange dies nicht der Fall ist: Soll die BRD von sich aus auf ihr Vetorecht verzichten und sich dafür bilateral Verbündete suchen? NEIN
Wenn Sie Ihre Antworten näher erläutern oder weitere Punkte hinzufügen möchten, können Sie dies hier tun (optional):
"Wir werden ein gemeinsames Wahlrecht zur Wahl der europäischen Volksvertretung schaffen. Wir wollen auch die Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, inklusive eines echten Initiativrechts, vervollständigen. Mehr Eigenständigkeit setzt höhere Handlungsfähigkeit voraus. Grundlegend dafür ist die Einführung von Mehrheitsentscheiden in der Außenpolitik – statt des jetzigen Einstimmigkeitsprinzips."