Vollständige Antworten im Europa-Fragebogen
„Kommunalpolitik ist einer der sichtbarsten Orte einer erfolgreichen Europapolitik.“
Wie stehen Sie zu dieser Aussage? Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, damit ein vereintes, demokratisches und friedliches Europa in München sichtbar ist und gelebt werden kann?
Dieser Aussage stimme ich zu, da die kommunalen Stellen für die Bürgerinnen und Bürger die erste Anlaufstation für Informationen sind. München ist in Europa, insbesondere in der EU bestens vernetzt. Dies wurde nicht zuletzt durch die Auszeichnung „Erfolgreich vernetzt in Europa“ unserer Stadt durch das Bundesinnenministerium belegt. Es gibt in der Landeshauptstadt München kein Referat ohne Bezug zu Europa. Das ist ein gutes Fundament, auf dem die Stadt meines Erachtens nach weiter aufbauen muss. Nicht nur, um die Interessen Münchens an den entsprechenden Stellen innerhalb Europas artikulieren zu können, sondern auch um den Bürgerinnen und Bürgern Europa näher zu bringen. Oft wird Europa oder die EU als intransparenter, bürokratischer Komplex verstanden, der Richtlinien oder Verordnungen erlässt, die dann in nationales, also für die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar geltendes Recht zu transformieren sind. Europa ist aber weit mehr als das, nämlich der Garant für Frieden und Wohlstand. Jedoch ist festzustellen, dass viele Menschen Europa und der EU nicht diese Bedeutung beimessen. In Großbritannien fand sich eine Mehrheit für den Austritt aus der EU, die Folgen sind noch nicht absehbar, jedoch ist die Symbolwirkung fatal. Als überzeugter Europäer bin ich entschlossen, den Menschen in unserer Stadt die Vorzüge und die Bedeutung Europas immer wieder zu vermitteln. Ich plane daher, zusammen mit anderen Oberbürgermeister_innen aus Deutschland, aber auch aus unseren Partnerstädten Edinburgh, Verona und Bordeaux eine Initiative, um die positive Bedeutung der EU für unser tägliches Leben hervorzuheben. Gleichzeitig werden wir diese Plattform und auch Eurocities nutzen, um die Bedeutung der Kommunen in den entsprechenden Gremien möglichst kurzfristig zu stärken.
Großstädten wie München kommt eine ganz besondere Verantwortung zu: Welche Rolle sehen Sie für Großstädte wie München bei der politischen Stärkung der EU und ihrer nachhaltigen Weiterentwicklung? Welche Impulse wollen Sie Europa in Ihrer Amtszeit als Oberbürgermeister/in in diese Richtung geben?
In den Großstädten Europas lebt die deutliche Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Die Großstädte zeichnen sich naturgemäß dadurch aus, dass Menschen aus vielen unterschiedlichen Staaten zusammenleben, und das völlig selbstverständlich. Daher wird es vor allem an der Kommunalpolitik liegen, Akzente auf europäischer Ebene zu setzen. Allerdings muss Städten auch die wirkungsvolle und formale Möglichkeit gegeben werden, Vorschläge und Erfahrungen in die Politikentwicklung und europäische Rechtsetzung einzubringen. Denn letztlich kann Akzeptanz von Entscheidungen nur durch Partizipation an den entsprechenden Prozessen gesteigert werden.
Eine der zentralen Forderungen der Landeshauptstadt München in ihrer Position zum Weißbuch zur Zukunft der EU ist, die Schaffung von erfolgreichen Formaten und Wege für mehr Bürgerbeteiligung bis 2025. Würden Sie als OB dieses Ziel weiterverfolgen? Falls ja:
- Was konkret würden Sie dazu beitragen?
- Wie können die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung in die europäische Politik einbezogen werden?
In einer sich schnell verändernden, hochpolitischen Zeit will ich vor allem die Interessen der Münchnerinnen und Münchner vertreten, die Unterstützung benötigen, um zu ihrem Recht zu kommen. Ich will die Gestaltung demokratischer Beteiligung in München fördern. Die gewünschten Formen der Teilhabe der Münchnerinnen und Münchner wandeln sich, werden unterschiedlicher und kurzfristiger und verändern sich immer weiter. Es ist wichtig, den Abwägungsprozess, der politischen Entscheidungen vorausgeht, transparent darzustellen. Schon zu Beginn eines Beteiligungsprozesses werde ich offen kommunizieren, in welchem Rahmen die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden können, und an welcher Stelle gegebenenfalls auch Grenzen der Mitbestimmung gesetzt werden müssen, um gesamtstädtischen Interessen gerecht zu werden. Darüber hinaus werde ich den Ausbau der digitalen Informations- und Beteiligungsangebote der Stadt vorantreiben. Ziel ist, dass die Menschen verstehen, wer auf welcher Basis Entscheidungen trifft und wie diese zustande kommen – und auch, wie sie unabhängig von ihrem Geldbeutel oder Schulabschluss die Entscheidungen beeinflussen können. So werden Beteiligungshürden abgebaut und höhere Transparenz erreicht.
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für die Beteiligung der Bürger_innen an politischen Entscheidungen. Dort wo die klassische Bürgerversammlung im Stadtbezirk oder Beteiligungsverfahren im Rahmen einer Planung bisher eine Präsenz nötig machen, werde ich Modelle der digitalen Teilhabe realisieren. Gleichzeitig bin ich mir der Grenzen digitaler Beteiligung bewusst und werde evaluieren lassen, welche Bevölkerungsgruppen sich digital beteiligen und wie wir eine breite Repräsentanz erreichen können.
Ich werde Münchens Stadtgesellschaft demokratischer machen und Teilhabe vereinfachen. In einem „Münchner Bürgerhaushalt“ können sich Bürgerinnen und Bürger mit Vorschlägen und Anregungen beim Haushalt der Stadt beteiligen. Ich will ausdrücklich mehr und bessere Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen in Schulen ermöglichen. Gleichzeitig entwickelt sich Demokratie in München gerade im Hinblick auf junge Menschen fort. Kindergärten und Schulen sowie die Beteiligung bei institutionellen Wahlen sind für mich elementare Bestandteile an kommunaler Demokratieförderung junger Menschen. Ich ermutige Kinder zur Mitgestaltung der für sie gedachten Angebote auf unterschiedlichsten Ebenen und beziehe sie in die Entscheidungen ein. Sie wissen am besten, welche Schule sie sich wünschen und wie ihre Spielplätze gestaltet sein sollten. Ich werde die Aktivitäten zur Demokratieförderung im Bildungsbereich ausbauen. Ich werde dafür sorgen, dass zusätzliche Mittel für Projekte in der Jugend- und Bildungsarbeit zur Verfügung stehen. Hierunter fällt auch ein Schüler_innenbudget für politische Projekte von Schülermitverwaltungen.
Mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020 kann die Bundesrepublik eigene programmatische Schwerpunkte setzen. Wie würden Sie dies als Oberbürgermeister/in aktiv mitgestalten?
Zu Recht fordern derzeit viele, vor allem junge Menschen, Antworten zu den Themenkomplexen Klima- und Umweltschutz. Ich habe das Thema „Zero Waste“ ganz oben auf die Agenda für München gesetzt. Dabei wurden mit Experten verschiedene Ideen entwickelt, wie Müll künftig reduziert oder sogar ganz vermieden werden kann. Letzteres halte ich für eine große Herausforderung, aber auch für eine Zukunftsfrage, die gelöst werden muss. Jedoch nützt es wenig, wenn München oder einige andere Kommunen sich dieses Themas annehmen. Wie in vielen anderen Feldern auch, brauchen wir eine möglichst gesamteuropäische Lösung. Denn die reichen Industrienationen tragen hier eine besondere Verantwortung, auch für die nächsten Generationen, und zwar weltweit. Ich werde mich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, nachhaltige Lösungen während der Ratspräsidentschaft anzustoßen und auf den Weg zu bringen.